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Wolfgang Niedecken liest und singt Bob Dylan - St. Wendel, Saalbau - 20.05.2009
Die Musikfestspiele Saar waren schon immer ein ambitioniertes Festival, das sich stets über den halben Sommer zog. Leider war es bislang zumeist „klassisch“ ausgerichtet und hat damit als elitär wahrgenommener Zirkel breiteste Bevölkerungsgruppen nicht erreicht. Dies hat sich mittlerweile geändert: In diesem Jahr lautet das Motto „Welcome America!“ und deckt die gesamte Bandbreite amerikanischer Musik hervorragend ab.
Einen besonderen Coup konnte man im April landen und keinen Geringeren als BOB DYLAN engagieren. Was lag da näher, als auch den „Deutschen Dylan“, WOLFGANG NIEDECKEN, an die Saar zu holen?
Für Niedecken war es ein persönlicher Urknall, als er Mitte der 1960er Jahre zum ersten Mal BOB DYLAN hörte. Der Gitarrist seiner Schülerband brachte seinerzeit den Text zu „Like a rolling stone“ mit und das haute Jung-Wolfgang aus den Socken. Wie er nur zu gerne zugibt, wäre sein Leben ohne Dylan anders verlaufen. Er wäre wahrscheinlich niemals Profimusiker geworden.
Im Vorfeld der Lesung stellte sich mir schon die Frage, wie ich eigentlich persönlich zu Dylan stehe. Ungeachtet seines enormen Inputs in die umbrechende Musikszene der Sixties, war Dylan für mich stets nur ein übellauniger Kauz … einer, den man gerne mit einer bestimmten Körperöffnung in Verbindung brachte. Der Mann ging völlig an mir vorbei, aber ich gehörte ja auch einer anderen (Musik)Generation an. Für meine Freunde und mich waren Bands wie PINK FLOYD, KING CRIMSON, LITTLE FEAT, die JIMI HENDRIX EXPRERIENCE und FRANK ZAPPA sehr viel wichtiger und prägender.
…. Und dann kamen irgendwann BAP und Niedeckens Soloscheibe „Leopardefell“ mit ihren kölschen Übersetzungen und erst da wurde mir die Wichtigkeit der Dylan-Songs so richtig bewusst. Es trieb mich also im Vorfeld die Frage um, wie wichtig Dylan eigentlich für MICH ist. Die Antwort gab WOLFGANG NIEDECKEN mit seinen drei Zugaben, als er die kölschen Versionen brachte: Ich bin wohl eine der Banausen, für die Dylan nur in Verbindung mit Wolfgang Niedecken von Bedeutung ist.
Zu Niedecken mag man stehen wie man will, aber der Mann hat eine Aura, die einen erstmal „anzählt“. In seiner kurzen Einführung machte er klar, dass er lediglich im Auftrag des "Meisters" unterwegs sei. Zudem sei dies wohl eine der letzten Veranstaltungen dieser Art, denn nach zwei Lese-Touren in 2005 und 2007 sei nun Dylan am Zug. Dieser müsse nun endlich den zweiten Band der Trilogie nachschieben.
Niedecken las zumeist recht kurze Abschnitte, um, wie er augenzwinkernd zugab, sich selbst vor dem Einschlafen zu bewahren. Nach jedem Leseabschnitt folgte ein besonders prägnanter Dylan-Song – fünfzehn waren es am Ende. Auf einer Leinwand im Hintergrund wurden permanent Fotos und stumme Videos des „Meisters“ abgespielt, die den jeweiligen Lebensstationen zuzuordnen waren. Einige Gemälde Niedeckens waren ebenfalls dabei.
Man verfolgt Bob Dylans Autobiographie, zumindest in deren Auszügen, mit gemischten Gefühlen. Die Sprache ist erfrischend unprätentiös und direkt – die Sätze haben Rhythmus und vermitteln starke Bilder - die Charaktere werden schrullig-kauzig überzeichnet. Dylan orientiert sich offensichtlich am Schreibstil eines Jack Kerouac [Erfolgsroman: „On the road“]. Kein anderer als Wolfgang Niedecken könnte Dylan eine bessere deutsche Stimme verleihen. Allerdings machen die schlaglichtartigen Momentaufnahmen einen collagenhaften Eindruck. Dylans Lebenszug rast in einem verwirrenden Tempo. Im „Schweinsgalopp“ ist man von der Geburt 1941 bis zur Schilderung der Produktion des 1989er „Oh Mercy“-Albums, bei der die Lesung endet, durchgerauscht.
Den größten Raum widmet Dylan seinen Beweggründen, Musiker zu werden. Ausgehend von Country-Sängern wie HANK WILLIAMS oder HANK SNOW sorgte seine Begegnung mit WOODY GUTHRIE für einen tiefen Impact. Das seien für ihn „Songs, die größer sind als das Leben“ gewesen. Folksongs würden die Wahrheit über das Leben sagen – und das Leben sei nun einmal nichts anderes als eine Lüge. Entwaffnend schildert Bob Dylan [bürgerlich: Robert Allen Zimmerman], wie profan die Wahl des Künstlernamens zustande kam.
In der Zeit des Vietnamkrieges sei ihm zunächst die Rolle des Predigers zugedacht und später die Ausrufung zum „Messias“ erteilt worden. Wortreich beteuert Dylan, sich nie größer gemacht zu haben, als er gewesen sei …. nichts anderes als ein einfacher Folksänger sei er gewesen. In ätzendem Spott ergeht er sich über seine „Jünger“, die in ihm den „Prinzen der Protestbewegung“ sahen und genau hier vermittelt sich dem unbedarften Zuhörer die hässliche Maske des Zynikers. Getreu dem Motto „Gib’ dem Publikum das, was es verdient“ habe er seine Songs wie Dreck an die Wand geworfen und das, was letztlich heruntergefallen ist, auf seinen Scheiben verewigt. Selbstverständlich hat er allerdings die Tantiemen für seine gold- und platindekorierten Alben nur zu bereitwillig eingestrichen. Ausführlichst sind hier auch die Schilderungen eines von jeglichen Finanzsorgen ungetrübten Familienlebens samt Grundstück mit eigenem Zugang zum Atlantik geraten. In der Rolle des Familienvaters fand Bob Dylan zu dieser Zeit seine wahre Berufung.
Geradezu penibel sind die Aufnahmesessions von „Oh Mercy", einer passablen, aber keinesfalls herausragenden Scheibe, und die Zusammenarbeit mit dem Starproduzenten DANIEL LANOIS in New Orleans beschrieben. Eine derartige Detailverliebtheit hätte man sich bei so manchem anderen Thema gewünscht….
So bleibt zu guter Letzt das selbst gewählte Image des arroganten, zynischen, zurückgezogenen Freaks haften und die „Ikone wider Willen“ der Protestbewegung bekommt deutliche Risse.
Weniger zwiespältig sind die musikalischen Zwischenspiele Niedeckens ausgefallen, der mit seinen eindringlichen Interpretationen solche Klassiker wie „Don’t think twice, it’s alright“, „Sara“, dem glänzenden „Man with the long black coat“ und unvermeidlichen „The times they are a-changing“ neu aufleben lässt.
Drei Zugaben gibt der Kölner und dies sind allesamt kölsche „Übersetzungen“ und bemerkenswerter Weise kommt hier erstmals überschwängliche Begeisterung auf. „Like a rolling stone“ aka „Wie ’ne Stein“ reißt die knapp 700 Besucher erstmals zu „standing ovations“ von den Sitzen. Bei „Stell’ Dir vüür“, der Kriegsdienstverweigerer-Groteske, beginnt man gar, zaghaft mitzusingen und „Forever young“ lässt so manches Auge der 68er-Generation feucht werden.
Niedecken ließ es sich im Anschluss an die Veranstaltung nicht nehmen, noch einige Exemplare der Dylan-Biographie „Chronicles Vol 1.“ zu signieren und den Kontakt mit den Fans zu suchen. Der Mann hat einfach eine Aura….
Steve Braun (Info)
Einen besonderen Coup konnte man im April landen und keinen Geringeren als BOB DYLAN engagieren. Was lag da näher, als auch den „Deutschen Dylan“, WOLFGANG NIEDECKEN, an die Saar zu holen?
Für Niedecken war es ein persönlicher Urknall, als er Mitte der 1960er Jahre zum ersten Mal BOB DYLAN hörte. Der Gitarrist seiner Schülerband brachte seinerzeit den Text zu „Like a rolling stone“ mit und das haute Jung-Wolfgang aus den Socken. Wie er nur zu gerne zugibt, wäre sein Leben ohne Dylan anders verlaufen. Er wäre wahrscheinlich niemals Profimusiker geworden.
Im Vorfeld der Lesung stellte sich mir schon die Frage, wie ich eigentlich persönlich zu Dylan stehe. Ungeachtet seines enormen Inputs in die umbrechende Musikszene der Sixties, war Dylan für mich stets nur ein übellauniger Kauz … einer, den man gerne mit einer bestimmten Körperöffnung in Verbindung brachte. Der Mann ging völlig an mir vorbei, aber ich gehörte ja auch einer anderen (Musik)Generation an. Für meine Freunde und mich waren Bands wie PINK FLOYD, KING CRIMSON, LITTLE FEAT, die JIMI HENDRIX EXPRERIENCE und FRANK ZAPPA sehr viel wichtiger und prägender.
…. Und dann kamen irgendwann BAP und Niedeckens Soloscheibe „Leopardefell“ mit ihren kölschen Übersetzungen und erst da wurde mir die Wichtigkeit der Dylan-Songs so richtig bewusst. Es trieb mich also im Vorfeld die Frage um, wie wichtig Dylan eigentlich für MICH ist. Die Antwort gab WOLFGANG NIEDECKEN mit seinen drei Zugaben, als er die kölschen Versionen brachte: Ich bin wohl eine der Banausen, für die Dylan nur in Verbindung mit Wolfgang Niedecken von Bedeutung ist.
Zu Niedecken mag man stehen wie man will, aber der Mann hat eine Aura, die einen erstmal „anzählt“. In seiner kurzen Einführung machte er klar, dass er lediglich im Auftrag des "Meisters" unterwegs sei. Zudem sei dies wohl eine der letzten Veranstaltungen dieser Art, denn nach zwei Lese-Touren in 2005 und 2007 sei nun Dylan am Zug. Dieser müsse nun endlich den zweiten Band der Trilogie nachschieben.
Niedecken las zumeist recht kurze Abschnitte, um, wie er augenzwinkernd zugab, sich selbst vor dem Einschlafen zu bewahren. Nach jedem Leseabschnitt folgte ein besonders prägnanter Dylan-Song – fünfzehn waren es am Ende. Auf einer Leinwand im Hintergrund wurden permanent Fotos und stumme Videos des „Meisters“ abgespielt, die den jeweiligen Lebensstationen zuzuordnen waren. Einige Gemälde Niedeckens waren ebenfalls dabei.
Man verfolgt Bob Dylans Autobiographie, zumindest in deren Auszügen, mit gemischten Gefühlen. Die Sprache ist erfrischend unprätentiös und direkt – die Sätze haben Rhythmus und vermitteln starke Bilder - die Charaktere werden schrullig-kauzig überzeichnet. Dylan orientiert sich offensichtlich am Schreibstil eines Jack Kerouac [Erfolgsroman: „On the road“]. Kein anderer als Wolfgang Niedecken könnte Dylan eine bessere deutsche Stimme verleihen. Allerdings machen die schlaglichtartigen Momentaufnahmen einen collagenhaften Eindruck. Dylans Lebenszug rast in einem verwirrenden Tempo. Im „Schweinsgalopp“ ist man von der Geburt 1941 bis zur Schilderung der Produktion des 1989er „Oh Mercy“-Albums, bei der die Lesung endet, durchgerauscht.
Den größten Raum widmet Dylan seinen Beweggründen, Musiker zu werden. Ausgehend von Country-Sängern wie HANK WILLIAMS oder HANK SNOW sorgte seine Begegnung mit WOODY GUTHRIE für einen tiefen Impact. Das seien für ihn „Songs, die größer sind als das Leben“ gewesen. Folksongs würden die Wahrheit über das Leben sagen – und das Leben sei nun einmal nichts anderes als eine Lüge. Entwaffnend schildert Bob Dylan [bürgerlich: Robert Allen Zimmerman], wie profan die Wahl des Künstlernamens zustande kam.
In der Zeit des Vietnamkrieges sei ihm zunächst die Rolle des Predigers zugedacht und später die Ausrufung zum „Messias“ erteilt worden. Wortreich beteuert Dylan, sich nie größer gemacht zu haben, als er gewesen sei …. nichts anderes als ein einfacher Folksänger sei er gewesen. In ätzendem Spott ergeht er sich über seine „Jünger“, die in ihm den „Prinzen der Protestbewegung“ sahen und genau hier vermittelt sich dem unbedarften Zuhörer die hässliche Maske des Zynikers. Getreu dem Motto „Gib’ dem Publikum das, was es verdient“ habe er seine Songs wie Dreck an die Wand geworfen und das, was letztlich heruntergefallen ist, auf seinen Scheiben verewigt. Selbstverständlich hat er allerdings die Tantiemen für seine gold- und platindekorierten Alben nur zu bereitwillig eingestrichen. Ausführlichst sind hier auch die Schilderungen eines von jeglichen Finanzsorgen ungetrübten Familienlebens samt Grundstück mit eigenem Zugang zum Atlantik geraten. In der Rolle des Familienvaters fand Bob Dylan zu dieser Zeit seine wahre Berufung.
Geradezu penibel sind die Aufnahmesessions von „Oh Mercy", einer passablen, aber keinesfalls herausragenden Scheibe, und die Zusammenarbeit mit dem Starproduzenten DANIEL LANOIS in New Orleans beschrieben. Eine derartige Detailverliebtheit hätte man sich bei so manchem anderen Thema gewünscht….
So bleibt zu guter Letzt das selbst gewählte Image des arroganten, zynischen, zurückgezogenen Freaks haften und die „Ikone wider Willen“ der Protestbewegung bekommt deutliche Risse.
Weniger zwiespältig sind die musikalischen Zwischenspiele Niedeckens ausgefallen, der mit seinen eindringlichen Interpretationen solche Klassiker wie „Don’t think twice, it’s alright“, „Sara“, dem glänzenden „Man with the long black coat“ und unvermeidlichen „The times they are a-changing“ neu aufleben lässt.
Drei Zugaben gibt der Kölner und dies sind allesamt kölsche „Übersetzungen“ und bemerkenswerter Weise kommt hier erstmals überschwängliche Begeisterung auf. „Like a rolling stone“ aka „Wie ’ne Stein“ reißt die knapp 700 Besucher erstmals zu „standing ovations“ von den Sitzen. Bei „Stell’ Dir vüür“, der Kriegsdienstverweigerer-Groteske, beginnt man gar, zaghaft mitzusingen und „Forever young“ lässt so manches Auge der 68er-Generation feucht werden.
Niedecken ließ es sich im Anschluss an die Veranstaltung nicht nehmen, noch einige Exemplare der Dylan-Biographie „Chronicles Vol 1.“ zu signieren und den Kontakt mit den Fans zu suchen. Der Mann hat einfach eine Aura….